in den Kommentaren finden Sie die Notizen unserer Forschungssitzung. Danke an die beiden Kolleginnen Ulrike Schriefl und Daniela Wolf fuer ihre interessanten Kommentare!
1.) Betrachtung und Beschreibung der Tasche: (bzw.: Was erwarte ich in dieser Tasche?) * volle bzw. halbvolle Tasche; * Einkaufstasche bzw. Extratasche; * fade Tasche (grau mit Blümchen) * mit 3 Fächern * Schal, Geldtasche, Handy, Süßigkeiten, Taschentücher, Fotos, Schlüssel;
2.) Was war nun wirklich in der Tasche: 2 x Kerze, Streichhölzer, Knirps, Taschentuch, Plastiksackerl;
3.) Wie wird der/die TrägerIn der Tasche gesehen: * Frau:weiße - leicht bläuliche Haare mit Dauerwelle; * unauffälliges Gewand (also kein pinkes Gewand > graue Maus); * Brillenträgerin; * 70 Jahre * Der Mann von der Frau ist vl. schon gestorben (da Frauen immer/generell ältere Männer als Lebenspartner haben > Hinweis: Unterstützung durch Heranziehen von demographischen Daten);
Viele von uns meinen, dass der bzw. die TrägerIn der Tasche praktisch ist, da diese Tasche z.B. sehr viele Fächer hat. Die Frau hat die Tasche bei sich, weil sie das Grab ihres Mannes pflegt;
4.) Kritischer Bezug zu unserer Betrachtung / unseren Betrachtungen: gesellschaftliche Erwartungen / Gesichtspunkte / Klischees / (typische) Sozialisation: Wir gehen davon aus, dass diese Tasche einer Frau gehört, da Männer so etwas NICHT haben. Zudem wurde diskutiert, dass es Unterschiede gibt, wie Frauen und Männer ihre Taschen tragen (Geschlechtsunterschiede); Auch sind Männer weniger bzw. nicht sozial und auch nicht offen, gehen kaum bzw. gar nicht zum Arzt; Vl. liegt es daran, das sie keinem/r zur Last fallen wollen. Frauen hingegen sind sozialer, gehen häufiger zum Arzt, sind sensibler aber auch ängstlicher; Statistisch bewiesen ist, dass Männer früher sterben, z.B. durch Alkoholgenuss, schlechter Ernährung. Bezogen auf die frühe Sterblichkeit der Männer, so haben wir folgenden Aspekt diskutiert: Männer sterben gleich nach dem Pensionseintritt, da sie sehr leistungsorientiert sind und mit der neuen Situation nicht zurecht kommen. Diesbezügl. lassen sich zwei Merkmale erkennen: von außen: das Gebraucht werden(z.B. Job) von innen: Sinn (der Sinn des Lebens) D.h. sie gelten nicht mehr so wie früher (Statusveränderung); der so genannte "Pensionsschock" endet für manche tödlich (vor allem für Männer).
5.) Analyse der Gegenstände (Tasche): * Grabkerze: Gedenken, Grabpflege, Trauern, Beten: Ritual: Abschied, Loslassen, inne halten; Trauerarbeit (heilend); aber vl. auch dass sie nicht loslassen kann, sie will festhalten (Gewohnheit); * Schirm: auf Alles gefasst sein. * Taschentücher: traurig; verschnupft; Tradition: "Das hat man als Frau in einer Tasche."; Ritual: auf Alles gefasst sein.
Exkurs: *Gibt es Unterschiede hinsichtlich der Religiösität zwischen Land und Stadt? Einige von uns meinen/meinten, dass in der Stadt die (alten) Menschen mehr vereinsamt sind als am Land. Andere von uns meinten, dass es auch am Land vereinsamte (alte) Menschen gibt.
* Mit der Frage: "Wo will ich, wenn ich "alt" bin sein - im Altersheim oder daheim?" - haben von uns lediglich rd. 10 % geantwortet, dass sie in einem Altersheim sein wollen. Diesbezüglich kann die Statistik herangezogen werden. Lt. der Statistik sind nur 10 % der über 70jährigen in einem Altersheim. Hinsichtlich der Pflege gibt es derzeit (2007) einen großen Engpass. Zum Beispiel tritt folgende Frage immer vermehrt auf: "Wer übernimmt die Pflege?". Vor allem demenzerkrankte Personen sind sehr oft aggressiv. vl. so haben wir vermutet, weil durch den Verlust der Erinnerung Aggressionen entstehen können. Auch haben wir festgehalten, dass demenzerkrankte Personen ihr Erinnerungsvermögen ergehen. Fazit ist, dass die Thematik "Demenz" nach wie vor in unserer Gesellschaft tabuisiert wird. Es wird ein öffentliches Behandeln von demenzerkrankte Personen verlangt.
6.) Abschluss: Was haben wir in der Tasche vermisst? > Geld: Darauf kann vl. geschlossen werden, dass sie eine weitere bzw. eine (Hand-)Tasche hat. Tasche = Forschungsgegenstand Die genannten Vorstellungen spiegeln das wider, wie wir uns ALTERN vorstellen.
sehr gute Mitschrift! Zum Glueck sterben ja nicht alle Maenner bei Pensionsantritt, aber genau wie sie Sie schreiben: In den Ruhestand eintreten kann manchmal toedlich sein! lg s.h.
weitere Anmerkungen zum Forschungsspiel "Oma Tasche - Friedhofstasche":
* Wir haben Sozialsein als Überlebensstrategie diskutiert. Da Männer eine geringere Lebenserwartung als Frauen aufweisen und weniger sozial sind, kam die Frage auf, ob nicht offen sein, nicht tratschen tödlich sein können?
* Hinter der Theorie, dass die alte Frau mit ihrer Tasche ihren verstorbenen Mann am Friedhof besucht, lässt sich auch die Motivation des Pflichtbewusstseins vermuten: Die Frage "Sieht er es von oben" kann den Weg begleiten.
* Da wir Geld in der Tasche vermissten, stellte sich uns allgemein die Frage, welche Beziehung Menschen im Alter zu Geld haben: Haben sie ein Bankkonto und verwenden sie einen Bankomat?
Die Betrachtung der Tasche hat mir wieder gezeigt, welche Vorurteile, Stereotype und Rollenbilder wir in uns haben. Das Bewusstwerden dieser Tatsachen finde ich sehr spannend.
Nachdem ich das mit dem bloggen endlich hinbekommen habe, kommt auch schon immer mehr die Lust zum schreiben...In Bezug auf die Oma-Tasche und - wie es Christine auch schon schön formuliert hat - den Vorurteilen und Stereotypen, die wir so im Kopf tragen, möchte ich noch folgende Erfahrungen von mir erwähnen:
Seit dem das Seminar zu Alternwelten begonnen hat, habe ich seltsamerweise immer wieder zufällige Zusammentreffen mit älteren Personen, welche das Gespräch mit mir suchen. Speziell eine Erfahrung ist mir dabei hängengeblieben: Also, ich stand letzte Woche bei einer Bushaltestelle in Graz, als mich eine (wirklich fesche) ältere Dame ansprach. Sie hatte schulterlanges weißes Haar (ohne Dauerwelle) trug eine knallrote figurbetonte Winterjacke, eine schwarze Hose und hatte außerdem eine tigergemusterte kleine Handtasche bei sich. Während des Gesprächs erfuhr ich von ihr, dass sie in ein paar Tagen ihren 90sten(!) Geburtstag feiert und in einem gegenüberliegenden Gemeindehaus schon seit 60 Jahren (!) wohnt. Diese Begegnung hat mich wirklich berührt, erfreut und mir vor allem gezeigt, dass es wirklich unterschiedlichste ältere Menschen gibt. Ich hoffe sehr, dass diese seltsamen Begegnungen anhalten werden und ich somit noch viele Erfahrungen und Beobachtungen machen kann.
6 Kommentare:
"Oma Tasche - Friedhoftasche"
1.) Betrachtung und Beschreibung der Tasche: (bzw.: Was erwarte ich in dieser Tasche?)
* volle bzw. halbvolle Tasche;
* Einkaufstasche bzw. Extratasche;
* fade Tasche (grau mit Blümchen)
* mit 3 Fächern
* Schal, Geldtasche, Handy,
Süßigkeiten, Taschentücher,
Fotos, Schlüssel;
2.) Was war nun wirklich in der Tasche: 2 x Kerze, Streichhölzer, Knirps, Taschentuch, Plastiksackerl;
3.) Wie wird der/die TrägerIn der Tasche gesehen:
* Frau:weiße - leicht bläuliche
Haare mit Dauerwelle;
* unauffälliges Gewand (also kein
pinkes Gewand > graue Maus);
* Brillenträgerin;
* 70 Jahre
* Der Mann von der Frau ist vl.
schon gestorben (da Frauen
immer/generell ältere Männer als
Lebenspartner haben > Hinweis:
Unterstützung durch Heranziehen
von demographischen Daten);
Viele von uns meinen, dass der bzw. die TrägerIn der Tasche praktisch ist, da diese Tasche z.B. sehr viele Fächer hat.
Die Frau hat die Tasche bei sich, weil sie das Grab ihres Mannes pflegt;
4.) Kritischer Bezug zu unserer Betrachtung / unseren Betrachtungen:
gesellschaftliche Erwartungen / Gesichtspunkte / Klischees / (typische) Sozialisation: Wir gehen davon aus, dass diese Tasche einer Frau gehört, da Männer so etwas NICHT haben.
Zudem wurde diskutiert, dass es Unterschiede gibt, wie Frauen und Männer ihre Taschen tragen (Geschlechtsunterschiede);
Auch sind Männer weniger bzw. nicht sozial und auch nicht offen, gehen kaum bzw. gar nicht zum Arzt; Vl. liegt es daran, das sie keinem/r zur Last fallen wollen. Frauen hingegen sind sozialer, gehen häufiger zum Arzt, sind sensibler aber auch ängstlicher;
Statistisch bewiesen ist, dass Männer früher sterben, z.B. durch Alkoholgenuss, schlechter Ernährung.
Bezogen auf die frühe Sterblichkeit der Männer, so haben wir folgenden Aspekt diskutiert: Männer sterben gleich nach dem Pensionseintritt, da sie sehr leistungsorientiert sind und mit der neuen Situation nicht zurecht kommen. Diesbezügl. lassen sich zwei Merkmale erkennen:
von außen: das Gebraucht werden(z.B. Job)
von innen: Sinn (der Sinn des Lebens)
D.h. sie gelten nicht mehr so wie früher (Statusveränderung); der so genannte "Pensionsschock" endet für manche tödlich (vor allem für Männer).
5.) Analyse der Gegenstände (Tasche):
* Grabkerze: Gedenken, Grabpflege, Trauern, Beten: Ritual: Abschied, Loslassen, inne halten; Trauerarbeit (heilend); aber vl. auch dass sie nicht loslassen kann, sie will festhalten (Gewohnheit);
* Schirm: auf Alles gefasst sein.
* Taschentücher: traurig; verschnupft; Tradition: "Das hat man als Frau in einer Tasche.";
Ritual: auf Alles gefasst sein.
Exkurs:
*Gibt es Unterschiede hinsichtlich der Religiösität zwischen Land und Stadt? Einige von uns meinen/meinten, dass in der Stadt die (alten) Menschen mehr vereinsamt sind als am Land. Andere von uns meinten, dass es auch am Land vereinsamte (alte) Menschen gibt.
* Mit der Frage: "Wo will ich, wenn ich "alt" bin sein - im Altersheim oder daheim?" - haben von uns lediglich rd. 10 % geantwortet, dass sie in einem Altersheim sein wollen.
Diesbezüglich kann die Statistik herangezogen werden. Lt. der Statistik sind nur 10 % der über 70jährigen in einem Altersheim.
Hinsichtlich der Pflege gibt es derzeit (2007) einen großen Engpass. Zum Beispiel tritt folgende Frage immer vermehrt auf: "Wer übernimmt die Pflege?".
Vor allem demenzerkrankte Personen sind sehr oft aggressiv. vl. so haben wir vermutet, weil durch den Verlust der Erinnerung Aggressionen entstehen können. Auch haben wir festgehalten, dass demenzerkrankte Personen ihr Erinnerungsvermögen ergehen.
Fazit ist, dass die Thematik "Demenz" nach wie vor in unserer Gesellschaft tabuisiert wird. Es wird ein öffentliches Behandeln von demenzerkrankte Personen verlangt.
6.) Abschluss:
Was haben wir in der Tasche vermisst? > Geld: Darauf kann vl. geschlossen werden, dass sie eine weitere bzw. eine (Hand-)Tasche hat.
Tasche = Forschungsgegenstand
Die genannten Vorstellungen spiegeln das wider, wie wir uns ALTERN vorstellen.
sehr gute Mitschrift! Zum Glueck sterben ja nicht alle Maenner bei Pensionsantritt, aber genau wie sie Sie schreiben: In den Ruhestand eintreten kann manchmal toedlich sein! lg s.h.
weitere Anmerkungen zum Forschungsspiel "Oma Tasche - Friedhofstasche":
* Wir haben Sozialsein als Überlebensstrategie diskutiert. Da Männer eine geringere Lebenserwartung als Frauen aufweisen und weniger sozial sind, kam die Frage auf, ob nicht offen sein, nicht tratschen tödlich sein können?
* Hinter der Theorie, dass die alte Frau mit ihrer Tasche ihren verstorbenen Mann am Friedhof besucht, lässt sich auch die Motivation des Pflichtbewusstseins vermuten: Die Frage "Sieht er es von oben" kann den Weg begleiten.
* Da wir Geld in der Tasche vermissten, stellte sich uns allgemein die Frage, welche Beziehung Menschen im Alter zu Geld haben: Haben sie ein Bankkonto und verwenden sie einen Bankomat?
mfg ulrike schriefl
Die Betrachtung der Tasche hat mir wieder gezeigt, welche Vorurteile, Stereotype und Rollenbilder wir in uns haben. Das Bewusstwerden dieser Tatsachen finde ich sehr spannend.
Nachdem ich das mit dem bloggen endlich hinbekommen habe, kommt auch schon immer mehr die Lust zum schreiben...In Bezug auf die Oma-Tasche und - wie es Christine auch schon schön formuliert hat - den Vorurteilen und Stereotypen, die wir so im Kopf tragen, möchte ich noch folgende Erfahrungen von mir erwähnen:
Seit dem das Seminar zu Alternwelten begonnen hat, habe ich seltsamerweise immer wieder zufällige Zusammentreffen mit älteren Personen, welche das Gespräch mit mir suchen. Speziell eine Erfahrung ist mir dabei hängengeblieben:
Also, ich stand letzte Woche bei einer Bushaltestelle in Graz, als mich eine (wirklich fesche) ältere Dame ansprach. Sie hatte schulterlanges weißes Haar (ohne Dauerwelle) trug eine knallrote figurbetonte Winterjacke, eine schwarze Hose und hatte außerdem eine tigergemusterte kleine Handtasche bei sich. Während des Gesprächs erfuhr ich von ihr, dass sie in ein paar Tagen ihren 90sten(!) Geburtstag feiert und in einem gegenüberliegenden Gemeindehaus schon seit 60 Jahren (!) wohnt.
Diese Begegnung hat mich wirklich berührt, erfreut und mir vor allem gezeigt, dass es wirklich unterschiedlichste ältere Menschen gibt.
Ich hoffe sehr, dass diese seltsamen Begegnungen anhalten werden und ich somit noch viele Erfahrungen und Beobachtungen machen kann.
Lg Eva
Superspannend!
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